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Schreiben als Lebenshaltung: Vom inneren Ozean zu kreativen Horizonten

Ich schreibe, um herauszufinden, was ich weiß.

Das Zitat von Virginia Woolf hat mich wachgerüttelt, als ich mich gerade an einem Schreibprojekt mal wieder selbst in die Enge getrieben hatte. Ich dachte, ich muss über eine Sache alles wissen, um darüber zu schreiben. Ich dachte, ich brauche absolute Klarheit und perfekt geplante Zwischenetappen – dabei ist es genau andersrum.

Das Schreiben – als Lebenshaltung praktiziert – zeigt uns den Weg ins Unbekannte und lässt uns neue Horizonte entdecken. Ich darf schreiben, um zu lernen und stelle mich den großen Fragen des Lebens, indem ich zu ihnen schreibe. Nicht immer bekomme ich dabei die klare Antwort, die ich mir wünsche – zumindest nicht auf Anhieb. Aber Schreiben bedeutet dranbleiben, weiter zuhören, hineinlauschen in die Tiefen des eigenen inneren Ozeans. Dort schlummert unsere Weisheit und die Stimme unserer Intuition wartet darauf, zu uns zu sprechen und gehört zu werden.

Der Ausdruck des Seins

Schreiben ist menschlicher Ausdruck. Schon in der Antike wurden Aufzeichnungen angefertigt und der praktische Nutzen geschriebener Sprache durchdringt heute jede Faser unserer Gesellschaft. 

Schreiben ist ein mentaler Prozess und gleichzeitig eine körperliche Praxis – und das ist nur eine von zahlreichen Dualitäten, deren Reibung beim Schreiben für Funkenflug sorgen.

Beim Schreiben sind wir pragmatisch und kreativ. Wir arbeiten zielgerichtet und lassen die Worte doch einfach nur aus uns herausfließen. Wir finden Ausdruck für unsere innere Welt und verarbeiten dabei Eindrücke aus dem Außen. Schreibend erkennen wir uns selbst und gehen mit der Welt um uns herum in Verbindung.
Wir schöpfen aus unserem inneren Ozean und erweitern mit jedem Wort unseren kreativen Horizont.
Schreiben ist elementar und doch hochkomplex. Es führt uns in die Tiefen unseres Seins und damit ins Wortlose; lässt uns unsere Essenz erkennen und stärkt die Stimme unserer Intuition. Wenn wir das Schreiben nicht auf den geschriebenen Text und seine Wirkung reduzieren, erkennen wir im Ausdruck mit Worten eine neue, tiefere Dimension: Schreiben wird zur Lebenshaltung.

Ich bin, also schreibe ich.

Im deutschen Sprachraum ist die Identität der Schreibenden noch nicht ganz angekommen. “I’m a writer”, würde ich auf Englisch sagen. Damit ist gemeint, dass ich regelmäßig schreibe. Ob ich Tagebuch schreibe oder Briefe, Romane veröffentlichte oder regelmäßig blogge spielt da erstmal gar keine Rolle. Mit “I’m a writer” identifiziere ich mich selbst als Schreibende.

Das klingt im Deutschen ungewohnt. Was schreibst du? Bist du Autorin (du hast also zumindest ein Buch geschrieben und veröffentlicht) oder Schriftstellerin (dann schreibst du Romane oder Bücher mit literarischem Anspruch)? 

Mit diesen Bezeichnungen verlagern wir den Schwerpunkt weg vom Prozess des Schreibens hin zu dem, was geschrieben wird.

Aber Schreiben ist schreiben – egal was wir schreiben.

Wirkung und Wertung

Wenn du dein Schreiben auf Texte und ihre Wirkung reduzierst, baust du damit Druck auf. Je höher deine Erwartungen an deine Texte sind, desto anfälliger wirst du für Zweifel, Selbstkritik und Wertungen.

Findet mein Schreibstil Anklang?

Ist das Buch ein Bestseller?

Hat der Artikel viele Kommentare bekommen?

Schreiben als Lebenshaltung durchbricht diese Gedankenschleife und befreit dich vom Druck, etwas produzieren zu müssen und dein Schreiben dabei zu beurteilen. So öffnest du deiner Kreativität einen Raum, in dem du wertfrei ausprobieren und üben kannst.

“Kann ich überhaupt gut schreiben?”

Diese Frage ploppt immer dann auf, wenn wir unser Schreiben für andere sichtbar machen wollen. Egal ob es der Text der ersten eigenen Webseite ist oder ein unfertiges Buchmanuskript: Wir stehen gefühlt unvorbereitet vor der Besteigung des Mount Everest.

Was macht es leichter?

Die Antwort ist verblüffend simpel: Schreiben. Schreiben als Lebenshaltung; Schreiben, um zu schreiben. Es geht weder um dein Ego, noch darum, wem deine Texte gefallen. 

So wie Musiker sich Fingerübungen, Etüden und zehntausende Wiederholungen schwieriger Passagen in Konzertstücken erlauben, darfst du als Schreibende üben, deine Gedanken und Ideen in Worte fließen zu lassen.

Der innere Ozean

Je mehr du schreibst, desto klarer wirst du die Stimme deiner Intuition wahrnehmen. Ein Schreiben, das sich nicht von Regeln und Wertungen beengen läßt und die Worte frei aus dir fließen lässt, wird zum Ausdruck deines wahren Seins.

Deine tiefste Essenz, deine Kreativität und die Stimme deiner Seele warten darauf, von dir zu Papier gebracht zu werden. Das gelingt dir, wenn du aufhörst, beim Schreiben deine Worte zu filtern, um anderen zu gefallen. “Darf ich das so schreiben?” Ja, du darfst. Du darfst üben, du darfst dich ausdrücken und du darfst mit jedem Wort, das aus dir fließt, bei dir selbst ankommen.

Schreiben holt das Unterbewusste an die Oberfläche in dein Bewusstsein. Das ist ein unschätzbar wertvoller Prozess, denn so kommst du dir selbst auf die Spur. 

Du erkennst in deinen Worten deine Sehnsüchte. Aus wiederkehrenden Mustern in deinem Ausdruck zeigt sich deine Bestimmung. Deine Seele findet Ausdruck, indem du deine Ideen, Träume und Gedanken zu Papier bringst. Dein einzigartiges Leuchten zeigt sich, wenn du es dir wagst, auch deine Dunkelheit und Schatten auszudrücken. 

Kreative Horizonte

Wie Licht und Schatten finden auch Innen und Außen beim Schreiben auf magische Weise zueinander. Je mehr du schreibst, desto aufmerksamer wirst du durch dein Leben gehen. Du wirst deine Erlebnisse bewusster wahrnehmen und auf tieferer Ebene verstehen, wenn du über sie schreibst. Deine Gedanken können sich fokussieren, wenn du ihnen mit Worten eine Form und einen Rahmen gibst. 

Dein innerer Nebel, deine Unsicherheit und das Gefühl, einen Anteil von dir nicht vollständig zu leben, werden sich nach und nach auflösen. 

Mit Worten heilst du deine Vergangenheit und gestaltest deine Zukunft. Du akzeptierst, dass Schreiben als Ausdruck deiner Menschlichkeit nicht perfekt sein muss. Du geht aus einer passiven Haltung in deine gestalterische Kraft und wirst erleben, dass die Wirkung deiner Worte weit über die Seiten hinausreicht, die du mit ihnen füllst.

Schreiben ist eine Meditation deines Seins. Du schreibst von innen nach außen und löst dabei die Grenzen zwischen Selbsterfahrung und Selbstausdruck auf. Du erfährst alle deine Facetten über deine Worte und entdeckst im Vertrauten immer wieder Neues. 

Schreiben ist dein Weg zu deiner wahren Essenz und deinem Ausdruck in dieser Welt. 

Egal, was du schreibst – wenn Schreiben für dich zur Lebenshaltung wird, eröffnest du dir einen neuen Horizont.

Drei Wellen für dich: Entdecke das Schreiben als Lebenshaltung

🌊 Schreibe für dich: Gönne dir jeden Tag 10 Minuten Schreibzeit – Ganz ohne den Anspruch, dabei einen Text zu produzieren. Schreibe morgens oder abends in dein Journal, führe ein Dankbarkeitstagebuch oder sammle über den Tag Ideen und Beobachtungen in einem kleinen Notizbuch. Schreibe Gedichte, skizziere deine Gedanken und beantworte dir wichtige Fragen, indem du zu ihnen schreibst.

🌊 Schenke dir Lesezeit: Lesen ist der Gegenpol zum Schreiben. Lies bewusst möglichst viele Bücher und Artikel, die dir das Gefühl der Inspiration schenken und deine Seele nähren. Konsumiere weniger soziale Medien und lasse dich auf Geschichten und Beschreibungen ein, die deine eigene Vorstellungskraft beflügeln.

🌊 Sei sanft zu dir: Deine innere Kritikerin hat Sendepause, wenn du schreibst. Widerstehe der Versuchung, nachzubessern und dich beim Schreiben zu korrigieren. Folge deinem Flow und lass die Worte durch dich fließen, statt sie auf eine bestimmte Weise formen zu wollen. Erlaube dir, dich selbst zu überraschen!